Zum ersten Mal in der Geschichte der Spekulationen über das psychische Funktionieren wird als konstitutives Element seines Feldes nicht mehr der Begriff, die Nummer, die Zahl, ja, im besten Fall der Signifikant genommen, sondern der Buchstabe.
Gewiss offenbart er sich, zwar ohne dass Freud ihn als solchen isoliert hat, als Herr des Spiels des Unbewussten, anders gesagt, als das, was das Schicksal beherrscht.
Wäre die Gültigkeit dieser Isolierung bewiesen, ist es klar, dass eine Blatt in der Deutung der Bekundungen der Existenz und zwangsläufig ihrer Behandlung gewendet wäre.
Begriff, Zahl, Signifikant, sie erhalten ihre Wirkung durch den Referenten, der sie legitimiert: der Phallus, der an die Pfändung durch den Ersten glauben macht, an seine Hochzeit, seine Hurerei mit dem Objekt, das er kreiert (s. Kant); die Reduzierung dieses obszönen Emblems auf seine Struktur, und sei es als wenigsten-einer (au-moins-un), legitimiert das Eins, das dem zweiten angehört; die Null schließlich bietet den Ort der Hehlerei für die durch die Signifikanten aufgerufenen Bedeutungen.
Der Buchstabe ist aus einem ganz anderen Stoff gemacht, denn dadurch, dass er aus dem Signifikanten, dem 1, fällt, hat er kein Verhältnis zu diesem, aber doch eine Beziehung, denn er schuldet ihm Anderer zu sein.
Wenn man es so ausdrückt, könnte man glauben auf die Beziehung einer Tochter zu ihrem Vater hinzuweisen. Bemerken wir im Vorbeigehen, dass es keine logische Schrift gibt, um diese Beziehung des 1 mit dem Anderen zu vermerken, wohingegen sie doch erwartet wird, und es nicht genügt bezüglich des Sexuellen zu sagen, das sie kein Verhältnis ausmachen.
Zwischen ihnen gibt es nämlich kein Verhältnis von Abstammung (die die Aufteilung des selben Raums herstellte), kein Verhältnis zum Fremden (der eine Identität der Konstituierung von getrennten Räumen annimmt), kein Verhältnis zum Unbekannten (denn eine noch nicht da gewesene Zugehörigkeit verbindet über die Ausschließung den Buchstaben mit dem Signifikanten), aber es kann ein Verhältnis des Eins mit einem enigmatischen und nicht darstellbaren Feind geben (denn das Element „Buchstabe“ trotzt der unairen (aus dem Eins hervortretenden) Macht des Signifikanten.
So gibt es nur den Phallus um ein Verhältnis von 1 zu 1 herzustellen, das er dem Anderen Geschlecht aufzwingt, allerdings um den Preis es zu phallisieren, homogenisieren, es zu homosexualisieren, von da an ist der Krieg der Geschlechter eröffnet, um herauszufinden wer der am besten ausgestattete ist.
Lacan beginnt seine Schriften mit einer Seminarlektion über den „entwendeten Brief“ so wie ihn die Kette von Markov erklärt.
Diese Anlehnung ist anfechtbar geworden, da sie die vorherige Existenz einer schon geschriebenen Kette voraussetzt, auf die eine trilaterale Division zurückgeführt wird, die dafür gehalten wird, in dieser oder jener Sektion Auslöser für das unmögliche Auftauchen des Buchstaben zu sein. Es handelt sich nämlich für Lacan darum zu versuchen, über die Entstehung der Schrift Rechenschaft abzulegen, wo sie hier doch schon von vorneherein als gegeben gilt.
Nehmen wir mal grundlos an, dass die phonetische Kette Unmöglichkeiten der Artikulierung zeigt, die aus der Stimme die wirkende Kraft des Fallens in der Sequenz irgendeines unartikulierten Signifikanten macht, durch sein Fallen in das Reale Auslöser jener dem Buchstaben und somit der Schrift eigenen Materialisation. Daher hat der Buchstabe auf jeden Fall die Eigenschaft, dreifach zu sein: also reell aber auch durch das Loch in der Kette (die Stimme), der er gedenkt symbolisch, imaginär schließlich, dadurch dass er die bildlichen Schöpfungen des Fantasmas trägt.
Dadurch, dass der Signifikant die dem Realen eigene ursprüngliche Leere mit Leben erfüllt, verfehlt er sie jedoch, während das Imaginäre sie mit seinen Repräsentationen verdeckt.
Bemerkenswert ist, dass Lacan die Entstehung der Wissenschaft mit dem Gebrauch des Buchstaben assoziiert. Nicht mit dem der Zahl, die mit dem Unendlichen (allerdings literarisiert) träumen, ja rechnen macht, noch dem des Signifikanten, der das unbegrenzte Feld der Hermeneutik öffnet. Nur der Buchstabe bringt die Dimension eines leeren Realen mit sich, eine Entleerung, die übrigens in der Tat der Wissenschaft eigen ist.
Dies also bevor die Psychoanalyse es nicht mit Buchstaben erfüllt zeigt, von denen ein jeder durch sein Eindringen in das bewusste Reden das grundlegende Begehren des Subjekts sagen wird, durch das es unwiederbringlich geleitet ist.
Die Solidarität zwischen ihnen kann rein mechanisch und kontinuierlich sein, wie die arabische Sprache, die sich bis ins Unendliche in einer Schnur verknüpft. Aber das dreifach sein, das jedem Buchstaben innewohnt, erlaubt es, nach dem Vorbild des Aristotelischen Syllogismus, der zwei Buchstaben mit Hilfe eines mittleren Terms (wenn a Dingsbums b, und wenn b Dingsbums c, a Dingsbums c) in Verbindung bringt, zu denken, dass eine Einteilung ausgehend von einem Loch, das jede der Kategorien R, S, I im andern öffnet, geschieht und nimmt so eine Verteilung in drei Schnüren an, wobei sich hierdurch die Frage stellt, wie sie sich verknoten.
Wenn wir einen Moment zurückgehen, haben wir das Fehlen eines jeglichen logischen Zeichens gesehen, welches das Verhältnis von 1 zum Andern einschriebe. Warum diese Schwierigkeit, wenn nicht die Tatsache, dass ein logisches Zeichen nur den Referenten, dessen vorherige Einschreibung das Verhältnis autorisiert, repräsentiert?
Was, wer aber könnte dieser Referent sein, da er ja selber von dem Verhältnis eingenommen ist? In dem Syllogismus von Aristoteles a.b.c. kann man annehmen, dass der mittlere Term die Homogenisierung des Ganzen sicherstellt: sie formen eine Schnur. Man muss sich aber auch vorstellen, dass a.b.c. einander heterogen sind, und welches Verhältnis kann folglich das griechische Verb uparchein bezeichnen?
Übersetzt mit: ist der richtige Moment, gehört zu, dessen Rätsel ungelöst bleibt?
Der Gewaltstreich Lacans ist es zu postulieren, dass das Verhältnis der drei Schnüre nicht im Wesentlichen durch den Referenten gesichert wird, (der berühmte, durch den Namen-des-Vaters gesicherte vierte Ring), sondern durch eine spezifische, physische, materielle Eigenschaft, die Verknotung und Verflechtung der Schnüre. Borromäische Verknotung, wenn es stimmt, dass das Eindringen des einen in das andere ihr keinen Sinn verleiht, sondern, durch die Tatsache, dass es nachdem es eingedrungen ist wieder herauskommt, ihre für das gute Funktionieren notwendige Solidarität zeichnet.
Möchten die Mitglieder unserer Assoziation mir helfen fortzufahren oder die Probleme anders zu stellen?
(Fortsetzung folgt also)
Charles Melman 26. Mai 2016
Übersetzung : Johanna Vennemann
*und der Berg Nebo in Jordanien, von dem aus man einen Panoramablick auf das Heilige Land hat